Was genau ist UX maturity?

Sie bezieht sich auf den Reifegrad einer Firma in Bezug auf die Integration von User Experience Prinzipien in die Produkte bzw. Prozesse. Je besser die UX maturity/Reife, desto eher priorisiert die Firma die Bedürfnisse und Erwartungen der Nutzer:innen in ihre Produkten und gewährleistet so eine positive Nutzererfahrung.

Die UX maturity einer Firma lässt sich mit unterschiedlichen Methoden ermitteln und kann als Level oder Stufen wiedergegeben werden. Je höher das Level, desto besser die UX maturity der Firma und desto besser die Arbeitsbedingungen für UX Designer:innen, aber in erster Linie natürlich die Nutzererfahrung der Produkte. Eine geringe UX Reife deutet auf wenig etablierte UX Prozesse und wenig Fokus auf die Nutzer:innen hin.

Wieso ist es hilfreich die UX maturity meines Unternehmens zu kennen?

Es gibt verschiedene Gründe aus denen es sinnvoll ist die UX maturity deines Unternehmens zu kennen.

  1. Eine verbesserte Nutzererfahrung: Je höher die UX maturity, desto besser ist die Nutzererfahrung, da mehr Wert auf die Bedürfnisse der Nutzer:innen gelegt und diese priorisiert werden. Das führt im Umkehrschluss natürlich auch zu besseren Verkaufszahlen.
  2. Vorteil im Wettbewerb: Durch eine gute UX maturity kann sich deine Firma eher im Wettbewerb behaupten und mit einer hohen Nutzerzufriedenheit punkten.
  3. Effizienteres Arbeiten: Durch optimierte UX Prozesse können Produkte effizienter entwickelt werden. Das spart natürlich Zeit und Geld, die in andere Projekte gesteckt werden können.
  4. Mitarbeitergewinnung: Eine hohe UX Reife wird nicht nur die Motivation deiner Mitarbeiter:innen erhöhen, sondern auch dazu führen, dass du weitere, hoch qualifizierte Arbeitskräfte einstellen kannst. UX Designer, aber auch andere Rollen der Produktentwicklung, wissen eine hohe UX maturity zu schätzen.
  5. Möglichkeit die UX maturity zu verbessern: Nur wenn du die UX maturity deines Unternehmens kennst, kannst du diese gezielt verbessern. Je nach dem auf welchem Level ihr euch befindet könnt ihr gezielt Maßnahmen ergreifen um das nächste Level zu erreichen, aber auch Erwartungsmanagement betreiben.

Und wie messe ich diese in meinem Unternehmen?

Um das Level der UX maturity in deiner Firma zu bestimmen solltest du eine gründliche Analyse durchführen. Das braucht definitiv Zeit und ist nicht mal eben nebenbei erledigt. Dabei können verschiedene Methoden eingesetzt werden, wie zum Beispiel Expertenreviews, Usability-Tests, Nutzerbefragungen, Heuristische Evaluationen oder eine Kombination aus diesen Ansätzen.

Es gibt verschiedene Modelle um die UX maturity zu erheben. Weiter unten zeige ich dir die einzelnen Level des Modells von NN/g. Anhand der Beschreibungen dieser Level und der Ergebnisse deiner Analyse kannst du nun die UX Reife deiner Firma bestimmen.

Es ist sehr wichtig, dass die Analyse möglich objektiv durchgeführt wird. Dazu kannst du dir auch externe Hilfe in Form von Berater:innen oder einer Agentur dazu holen. Diese können wesentlich objektiver einschätzen welche UX Praktiken bereits angewandt werden und müssen nicht auf der Hut sein, jemandem innerhalb der Firma auf die Füße zu treten.

5 einfache Schritte die UX Reife zu ermitteln und zu verbessern

  1. Definiere dein Ziel: Was möchtest du mit der Messung der UX maturity erreichen? Welche Fragen möchtest du beantworten? Das könnte zum Beispiel folgende sein: “Wie können wir unsere UX Praktiken weiterentwickeln um die Nutzererfahrung unserer Produkte zu verbessern?”
  2. Wähle ein Framework: Zur Ermittlung der UX maturity gibt es diverse Modelle. Weiter unten gehe ich auf das Modell der NN/g (Nielsen Norman Group) ein, es gibt aber weitere Frameworks, beispielsweise von Forrester oder der SAP.
  3. Erstelle eine Analyse: Diese Analyse kannst du selbst erstellen oder ein externes Unternehmen. Wichtig ist, dass sie möglichst objektiv ist und sich auf das von dir gewählte Modell bezieht.
  4. Auswertung der Ergebnisse: Vergleiche deine Ergebnisse mit den Leveln des von dir gewählten Modells. Wo gibt es noch Schwachstellen, wo gibt es noch Potential zur Verbesserung und wo läuft es vielleicht schon ganz gut.
  5. Plane das weitere Vorgehen: Anhand der Ergebnisse kannst du nun einen Plan erstellen, der Ziele und Maßnahmen definiert um die UX maturity zu verbessern.
  6. Prüfe die Resultate: Die UX maturity Messung sollte regelmäßig überprüft werden. Zum einen um zu schauen, ob die Maßnahmen Früchte tragen, zum anderen aber auch um sicher zu gehen, dass nicht neue Schwachstellen auftreten, die angegangen werden müssen.

Das UX-Maturity-Modell von NN/g (Nielsen Norman Group)

Eines der oben genannten Modelle ist das von der NN/g. Es besteht aus 6 Leveln und ist, wie ich finde, gut verständlich. Hier eine kurze Erklärung dazu.

  1. Absent: UX is ignored or nonexistent.
  2. Limited: UX work is rare, done haphazardly, and lacking importance.
  3. Emergent: The UX work is functional and promising but done inconsistently and inefficiently.
  4. Structured: The organization has semisystematic UX-related methodology that is widespread, but with varying degrees of effectiveness and efficiency.
  5. Integrated: UX work is comprehensive, effective, and pervasive.
  6. User-driven: Dedication to UX at all levels leads to deep insights and exceptional user-centered–design outcomes.

Weitere Details kannst du hier finden. 

Die UX maturity ist also eine wichtige Kennzahl, die dir und deiner Firma dabei helfen kann Schwachstellen aufzudecken und die Nutzererfahrung der Produkte signifikant zu verbessern.

Wie du UX in deinem Unternehmen etablieren kannst

Als UX Designerin und durch viele Freunde und Bekannte die ebenfalls als UX Designer:innen arbeiten habe ich einige Einblicke in verschiedene Unternehmen bekommen. Und obwohl der Bereich des UX Designs stark gewachsen ist und viel Aufmerksamkeit erfährt, schaffen es viele Unternehmen nicht es wirklich in ihren Prozessen zu etablieren. Es werden zwar Designer:innen eingestellt, aber solange die Prozesse drum herum nicht angepasst werden, haben diese kaum Einfluss auf die UX des Produktes. Ich habe hier mal einige Tipps zusammen geschrieben, auf die Unternehmen meiner Erfahrung nach achten können.

Wieviel Wert legt dein Unternehmen bisher auf gute UX?

Aber erstmal ein kleiner Test, wie du ganz einfach herausfinden kannst, ob dein Unternehmen bereits auf einem guten Weg ist UX zu etablieren.

  1. Berücksichtigt dein Unternehmen die Nutzer:innen und deren Bedürfnisse bei der Entwicklung eurer Produkte?
  2. Habt ihr ein Design System oder einen Styleguide, der für konsistente und effiziente Gestaltung der Produkte sorgt?
  3. Habt ihr bereits UX Designer:innen in den Entwicklungsteams, die Einfluss auf die Produktentwicklung haben?
  4. Führen eure UX Designer:innen oder (falls ihr das trennt) UX Researcher:innen regelmäßig Tests durch um zu überprüfen wie intuitiv und gut bedienbar eure Produkte sind?
  5. Habt ihr eine Kultur, die die Bedeutung von UX Design hervorhebt und die Zusammenarbeit zwischen Designer:innen und anderen Parteien fördert?

Du konntest die meisten oder sogar alle Fragen mit “Ja” beantworten? Dann kannst du hier eigentlich aufhören zu lesen. Ihr habt bereits eine gute Umgebung geschaffen und legt Wert auf gute UX. Bist du die Chef:in deines Unternehmens oder der Abteilung? Dann stell diese Fragen auch mal einigen Mitarbeiter:innen und schau, ob deine und ihre Einschätzung die gleiche ist.

Du musstest die meisten oder alle Fragen verneinen? Dann hab ich im Folgenden einige Tipps für dich, wie du UX in deinem Unternehmen etablieren kannst. Aber Achtung, hier kommt kein 5 Punkte Plan, der sich mal eben in kürzester Zeit umsetzen lässt. Gute UX ist vor allem mit guten Prozessen und einem entsprechenden Mindest verknüpft. Hier ist Ausdauer bei allen beteiligten Parteien gefragt!

Vier Tipps, wie du UX in deinem Unternehmen etablieren kannst

01 Nutzerzentriertheit

Fördere den Fokus auf die Nutzerzentriertheit innerhalb deines Unternehmens. Dafür können zum Beispiel regelmäßige Befragungen durchgeführt werden, Nutzertests gemacht oder schlichte Feedback Antworten ausgewertet werden. Es sollte aber natürlich auch jedem in der Firma klar sein, dass ohne die Nutzenden des Produktes, das Produkt an sich und damit die Firma nicht erfolgreich wäre. Nutzerzentriert zu arbeiten zahlt sich also im besten Fall für nahezu jeden Bereich der Firma aus.

Praxistipp: Wichtig ist dabei, dass den Nutzenden genug Gehör verschafft wird und deren Feedback nicht einfach unter geht. Ihr könnt beispielsweise eine große Feedback Datenbank anlegen, in die alle Insights eingepflegt, vertaggt und kategorisiert werden. Klingt erstmal nach viel Arbeit, regelmäßig gemacht, zahlt es sich aber wirklich aus. Jedes Team sollte Zugriff auf diese Insights haben und daran orientiert Maßnahmen ergreifen können, um Verbesserungen für die Nutzenden voran zu treiben, die wiederum auf die Firmenziele einzahlen.

02 UX Kompetenz aufbauen

Klingt easy, stell einfach 5 Designer:innen ein, die designen dann ein bisschen und schon ist die UX deines Produktes verbessert. So einfach ist es aber leider nicht. Erstmal ist nicht jede:r Designer:in auch ein:e ganzheitliche:r UX Designer:in. Hier gibt es natürlich eine große Spannweite an Kompetenzen und je nach dem was für deine Firma wichtig ist, musst du auswählen welche:n Designer:in du einstellst.

  • Einige UX Designer:innen haben sich auf den Research Bereich spezialisiert, sie führen Nutzertests und Befragungen durch, oder werten Daten aus Analyse Tools aus.
  • Andere UX Designer:innen entwickeln komplexe Konzepte zur Lösung von Problemen der Nutzenden. Dazu werden gern User Flow Diagramme und anschließend Wireframes erstellt.
  • Und wieder andere UX Designer:innen gehen eher in Richtung UI Design oder sind UX Writer:innen oder UX Facilitator:innen oder oder oder.

Viele UX Designer:innen machen aber auch ein bisschen von allem und haben einen Schwerpunkt. Bei mir ist das zum Beispiel der Schwerpunkt Research & Konzeption, ich mache aber auch UI Designs oder leite Workshops. Gerade in einem kleineren Team kann so ein:e Allrounder UX Designer:in erstmal sehr hilfreich sein. Sollte die Abteilung, das Produkt oder die Firma wachsen, kann man immer noch weitere UX Designer:innen dazu holen und die Kernkompetenzen der einzelnen stärken und nach und nach aufbauen.

03 Prozesse etablieren

UX Designer:innen haben nur begrenzte Mächte. Sie können durch Research herausfinden was Nutzende brauchen oder welche Probleme sie haben. Dann entwickeln UX Designer:innen Konzepte und Lösungen um diese Probleme zu beheben und die Zufriedenheit der Nutzenden zu steigern. Umsetzen müssen diese Konzepte aber andere Abteilungen. Produktmanager:innen, Projektleiter:innen oder Productowner:innen müssen diese Konzepte priorisieren und Entwickler:innen sie umsetzen. Zwischen dem ganzen “Daily Business” und Kundenwünschen (Achtung: Bei B2B Produkten sind Kunden nur selten auch Nutzende!) können da Verbesserungen am Produkt schon mal zu kurz kommen.

Es ist also wichtig ein allgemeines Verständnis für UX zu schaffen und Prozesse zu entwickeln, die gute UX im Unternehmen fördern.

Ja und wie sieht so ein Prozess aus? Das hängt natürlich stark von dem jeweiligen Produkt, der Firma und den Nutzenden ab. Generell ist es wichtig UX die nötige Wichtigkeit beizumessen und Themen dementsprechend zu priorisieren. Entscheidungen sollten auf Datengrundlagen getroffen werden und nicht aus dem Bauch heraus. “Customer driven” zu arbeiten wird immer in Konkurrenz zu guter UX stehen, denn nur selten sind Kunden Wünsche auch Wünsche von Nutzenden.

Bei stark eingefahrenen Prozessen und auch Verantwortlichkeiten macht es aber sicher Sinn, sich eine externe Beratung zu holen um einen Blick von Außen zu erhalten.

04 Regelmäßig Testen

Ein Produkt kann nur dann besser werden, wenn man seine Schwachstellen kennt und diese behebt. Schwachstellen findet man indem man regelmäßig Tests durchführt. Und am besten testet man nicht selbst, denn mit Sicherheit bist du genau so betriebsblind, was dein eigenes Produkt angeht, wie ich. Nein, man testet mit einer unabhängigen Person.

Testnutzende kannst du überall rekrutieren. Innerhalb deiner eigenen Firma (für den Anfang einfach aus einer anderen Abteilung, die nichts mit deinem Produkt zu tun hat), oder bei den Nutzenden deines Produktes. Je nach dem ob du unvoreingenommene Testprobanden brauchst, kannst du auch über eine Agentur Personen anfragen.

Aber was für Tests sind denn sinnvoll? Da es eine ganze Bandbreite an möglichen Testformaten gibt möchte ich hier nur mal 3 aufgreifen, die meiner Meinung nach gerade für den Anfang gut geeignet sind.

User Interviews

  • In einem offenen Interview sprichst du (oder im besten Fall ein:e UX Designer:in) mit eine:r Testproband:in und versuchst Situationen, Probleme und Herausforderungen die in Zusammenhang mit dem Produkt stehen zu verstehen und zu dokumentieren.

System Usability Scale

  • Mit der SUS kannst du in einem einfachen Fragebogen, gern auch am Ende eines oben genannten Interviews, den Zustand deines aktuellen Produktes erfragen. Sinn macht die SUS oft in Kombination mit einem vorangegangenen oder nachstehenden qualitativen Feedback. Details dazu findest du hier.

Usability Tests

  • Ein Usability Test kann mit dem bestehenden Produkt, oder neuen Konzepte durchgeführt werden. Hierbei wird den Testproband:innen eine Aufgabe gestellt, die sie lösen, während sie beobachtet werden. Es geht dabei nicht darum herauszufinden ob die Testproband:innen die Aufgabe lösen können, sondern wo sie auf dem Weg, innerhalb des Produktes Schwierigkeiten haben und an genau diesen Stellen zu erfragen, wieso es dort Schwierigkeiten gibt.

Die Testergebnisse müssen dann ausgewertet und in konkrete Maßnahmen umgewandelt werden. Hierbei kommen wir dann wieder zu Punkt drei, es muss entsprechende Prozesse geben.

Den Abschluss halte ich mal kurz. UX in einem Unternehmen wirklich zu etablieren ist ein langer und mühsamer Weg. Solltest du ein:e Einzelkämpfer:in sein, dann such dir auf jeden Fall Unterstützer:innen oder sogar Mitkämpfer:innen. Externe Unterstützung kann außerdem nie schaden. Lass also mal dein Unternehmen von außen bewerten, oft gibt es dazu einen kleinen Fahrplan dazu, wie ihr starten könnt UX in den Vordergrund zu stellen.

Solltest du zu alldem noch Fragen haben schreib mir gern, ich freu mich jederzeit über Einblicke und bin happy wenn ich jemandem weiterhelfen kann, der in einer ähnlichen Situation ist, wie ich es schon oft war.